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Delfinimporte

in den 1960er Jahren

Am 11. Juli 1965 erreichten die ersten vier Großen Tümmler das neu geschaffene Duisburger Delfinarium, das damals noch "Delfinum" hieß. Der damalige Direktor des Zoos, Dr. Hans-Georg Thienemann, hatte seinen Sohn, der als Tierpfleger im Zoo Duisburg tätig war, zuvor ins Seaquarium Miami in den USA geschickt, damit dieser bereits die Tiere kennenlernen und Erkenntnisse über die Delfinhaltung gewinnen konnte, zumal man mit der Haltung von Delfinen in Europa absolutes Neuland betrat, denn erst in den 1960er Jahren entstanden die ersten Delfinarien in einigen wenigen europäischen Zoos.

Die ersten vier Tiere waren die Delfinbullen FLIP und FLAP und die Delfinkühe PERFECT und LITTLEBIT. Die weiblichen Tiere lebten nur für einige Wochen in Duisburg und verstarben beide an einer Pneumonie. FLIP lebte 5 Jahre in Duisburg bevor er an einer Fremdkörperblockade in seinem Magen-Darm-Trakt verstarb. Bei der Sektion des Tieres konnten verschluckte Münzen, Schrauben und ein Kunststoffring von 18 cm Durchmesser geborgen werden, die offensichtlich von Zoobesuchern achtlos ins Becken geworfen wurden, da die Besucher seinerzeit noch bis an den Beckenrand herantreten durften.

FLAP blieb insgesamt 14 Jahre in Duisburg und verstarb im Alter von 22 Jahren. Bei ihm konnten Alterserscheinungen sowie Einlagerungen giftiger Schwermetallverbindungen in den verschiedensten Organen bei der pathologischen Untersuchung bestätigt werden, wie diese bei Untersuchungen an verstorbenen Delfinen im Freiland häufig diagnostiziert werden.

Im Jahr 1966 kamen drei weitere weibliche Tiere aus Mexiko an den Zoo am Kaiserberg. Eines von ihnen, KLEINSTE, verstarb nach 78 Tagen mit einer stark geschädigten Speiseröhrenschleimhaut und einer Herzmuskelentzündung. Beides kann im Verlauf einer viralen Infektion auftreten, wie zum Beispiel der Maul- und Klauenseuche. Zu der damaligen Zeit war der Erregernachweis bei Wildtieren uns insbesondere Delfinen nur schwer möglich, da die veterinärmedizinischen Kenntnisse und Techniken der heutigen Zeit noch nicht gegeben waren. Rückblickend ist es denkbar, dass das Tier bereits beim Fang erkrankt war und der Transport zum Ausbruch der Erkrankung geführt hatte.
Das Weibchen NO NAME starb sieben Monate nach der Ankunft in Duisburg an einem massiven Parasitenbefall. In den 1960er Jahren befand sich die Meeressäugermedizin noch in den Kinderschuhen und man musste nun schmerzlich erfahren, wie stark Wildtiere unter Parasitenbefall leiden konnten. Der Fadenwurm Anisakis sp. sowie Saugwürmer der Gattung Pholeter sp. wurden im Magen von NO NAME gefunden. Im Magen formten sie sogenannte Parasitenknoten bis zu einer Größe von 5 x 3 cm. Diese machten eine Nahrungsaufnahme für den Delfin unmöglich.
Die dritte der mexikanischen Großen Tümmler SUSY lebte für 15 Jahre in Duisburg. Sie erkrankte an einer Lungenentzündung, aus der sich eine Septikämie entwickelte, die zum Tode führte.

Im Jahr 1968 kam der Bulle JACK in die Duisburger Gruppe. Bei seiner Ankunft war er in sehr schlechtem Zustand. Starkes Narbengewebe umschloss sein blindes rechtes Auge. Jack sollte ausgetauscht werden, ertrank aber tragischerweise bei einer Fangaktion 14 Tage nach seiner Ankunft. In der pathologischen Untersuchung fand sich ein starker Wurmbefall mit Anisakis marina. Der Parasit hatte bereits eine Lungenentzündung verursacht und den Magen insoweit geschwürig verändert, dass eine Verdauung der Nahrung stark eingeschränkt war. Auch wenn der Unfall sehr tragisch war, so lag jedoch eine Grunderkrankung vor, die für den schlechten Zustand des Tieres verantwortlich war und alsbald zum Tode geführt hätte.
JACK ist ein Beispiel dafür, dass auch der frühere Handel mit Delfinen noch am Anfang stand. Anders als in späteren Jahren wurden nicht nur junge, kräftige und vitale Tiere gefangen, sondern man nahm, was man fangen konnte. Dies ist eine Erklärung für die hohe Sterblichkeit in den Anfangsjahren der Delfinhaltung. Bereits erkrankte Tiere, die durch einen Transport und eine neue Umgebung noch weiter geschwächt wurden, verstarben verständlicherweise früher als junge und gesunde Tiere. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre hatte Floridas Küste mit starker Umweltverschmutzung zu kämpfen, was den frei lebenden Delfinen zunehmend zu schaffen machte. Mit Pestiziden und anderen Chemikalien belastetes Abwasser, der Aufbau der Tourismusindustrie und die Zerstörung der Korallenriffe durch Touristen und Souvenirhändler verursachten auch Probleme im Fisch- und Meeressäugerbestand der amerikanischen Küstenregionen, aus denen fast alle der ursprünglich in die Delfinarien überführten Delfine stammten.
Zeitgleich mit dem Delfinmännchen JACK kam das Weibchen MIA I nach Duisburg, das aber nur 3 Jahre in Duisburg blieb und dann wieder abgegeben wurde.

Der letzte Zugang in den 1960er Jahren war das Weibchen NIXE, die 1969 nach Duisburg kam aber nur 3 Monate später einen Fremdkörper-induzierten Tod erlitt. In Nixes Vormagen wurden 1,6 kg Steine (bis zu einer Größe von 7 cm) und eine Kunststoffkugel mit einem Durchmesser von 8,5 cm gefunden, abermals Gegenstände, die von Besuchern ins Becken geworfen oder unachtsam fallen gelassen wurden, weshalb im neu errichteten Delfinarium des Zoo Duisburg, in das die verbliebenen Delfine 1969 umzogen, der direkte Besucherzugang an den Beckenrand ohne Aufsicht untersagt wurde.

Zusammenfassung der 1960 er Jahre

Name Ankunft Alter bei Ankunft Tod Todesursache Jahre in Duisburg
FLIP 11.07.1965 etwa 10 Jahre 03.09.1970 Fremdkörper 5 Jahre (1881 Tage)  
FLAP 11.07.1965 etwa 8 Jahre 05.07.1979 Schwermetalle 14 Jahre (5108 Tage)  
PERFECT 11.07.1965 unbekannt 23.07.1965 Lungenentzündung, Rotlauf <1 (13 Tage)
LITTLEBIT 11.07.1965 unbekannt 05.09.1965 Lungenentzündung <1 (57 Tage)
SUSY 04.07.1966 etwa 3 Jahre 18.03.1981 Septikämie 14 Jahre (5372 Tage)
KLEINSTE 04.07.1966 etwa 3 Jahre 20.09.1966 Speiseröhren- und Herzmuskelinfektion <1 (79 Tage)
NO NAME 04.07.1966 unbekannt 06.01.1967 Parasiten <1 (187 Tage)
MIA I 14.04.1968 unbekannt      
JACK 14.04.1968 unbekannt 27.04.1968 ertrunken, Parasiten <1 (14 Tage)
NIXE 25.03.1969 unbekannt 22.06.1969 Fremdkörper <1 (90 Tage)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 9 von 10 Delfinen, die in den 1960er Jahren importiert wurden, in Duisburg verblieben sind. Ein Tier, MIA, hat Duisburg wieder verlassen.

2 von 9 Tieren verstarben an Fremdkörpern.
1 von 9 Tieren verstarb an einer aus dem Freiland mitgebrachten Schwermetallvergiftung.
4 von 9 Tieren verstarben an Infektionen.
2 von 9 Tieren hatten einen massiven Parasitenbefall.

Ein Drittel der Tiere blieb mehr als 5, 14 und 15 Jahre in Duisburg.

Delfinimporte

in den 1970er Jahren

Im Jahr 1971 wurde das Delfinmännchen FREDDY importiert. Hier wurde 9 Tage später von einem Trauma berichtet, durch eine am Beckenrand erlangte tödliche Verletzung. Zusammen mit FREDDY kam MIA II, die allerdings ein halbes Jahr später wieder abgegeben wurde.

Im Jahr 1972 kamen das Männchen ROBBY sowie das Weibchen DOLLY aus den USA. DOLLY lebte 26 Jahre in Duisburg, züchtete erfolgreich und verstarb 1989 an einer chronischen Lungenentzündung in Kombination mit einer ulzerativen Gastritis und einer chronischen Pyelonephritis.
ROBBY wurde von seinem prominenten Fan, dem Sänger Freddy Quinn, in FREDDY umgetauft. FREDDY erlitt 9 Jahre später ein Herz-Kreislaufversagen aufgrund einer Bronchitis und Lungenentzündung.

Name Ankunft Alter bei Ankunft Tod Todesursache Jahre in Duisburg
MIA II 07.08.1971 Etwa 6 Jahre      
FREDDY I 07.08.1971 Etwa 10 Jahre 15.08.1971 Trauma <1 (9 Tage)
DOLLY 23.02.1972 Etwa 9 Jahre 19.11.1989 Lungenentzündung, Gastritis, Pyelonephritis 17 Jahre (6480 Tage)
ROBBY / FREDDY 23.02.1972 Etwa 7 Jahre 08.03.1981 Lungenentzündung 9 Jahre (3302 Tage)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 3 von 4 Delfinen, die in den 1970er Jahren importiert wurden, in Duisburg verblieben sind.
1 von 3 Tieren verstarb an einem Trauma innerhalb des ersten Monats.
2 von 3 Tieren starben an Infektionen nach 9 bzw. 16 Jahren in Duisburg.
Zwei Drittel der Tiere blieb mehr als 9 und 16 Jahre in Duisburg.

Delfinimporte

in den 1980er Jahren

Im Jahr 1981 wurden 1 männliches und 1 weibliches Tier aus Texas in den USA importiert. Das Geschlecht der Tiere wurde in den Dokumenten vertauscht, so dass es hier zu Verwirrungen in der Namensgebung kam. Aus anfänglich FLAP II wurde FLAPINE und aus NIXE II wurde NICO. FLAPINE lebte 13 Jahre in Duisburg und züchtete erfolgreich. Sie verstarb an einem akuten Herzversagen durch Lungenembolie, als Delfinariumsgegner in das Delfinarium eindrangen und es direkt am Beckenrand zu tumultartigen Szenen zwischen den Delfinariumgegnern und Zoobesuchern kam. Bei der pathologischen Untersuchung wurden zusätzlich eine hämorrhagische Gastritis und eine unvollständige Einstülpung des Dünndarms festgestellt.
NICO starb in 1992 an zahlreichen Lungenabszessen, nach 11 Jahren im Duisburger Delfinarium.

Ebenfalls in 1981 kam das Männchen PLAYBOY aus den Gewässern der Isla Cozumel in Mexiko in das Duisburger Delfinarium. Beide männlichen Tiere, NICO und PLAYBOY, lebten friedlich miteinander. PLAYBOY züchtete ebenfalls erfolgreich und verstarb im Alter von 25 Jahren an einer chronischen Hepatitis viralen Ursprungs. Eine spezifische Virusisolation gelang seinerzeit trotz intensiver Beprobung nicht. Ein nicht uninteressanter Zusatzbefund war ein lokal begrenzter chronischer Lungenabszess bestehend aus nekrotischen Fadenwürmern.

Der letzte für den Zoo Duisburg wild gefangene Delfin, das Weibchen LUCY, kam aus Mexiko im Jahre 1982. Sie verstarb 1992 an einer Gebärmutterentzündung (hämorrhagische Endometritis).

Zusammenfassung der 1980er Jahre

Name Ankunft Alter bei Ankunft Tod Todesursache Jahre in Duisburg
FLAPINE (FLAP II) 28.01.1981 Etwa 7 Jahre 20.08.1994 Herzversagen nach Lungenembolie 13 Jahre (4953 Tage)
NICO (NIXE II) 28.01.1981 Etwa 7 Jahre 20.03.1992 abszedierende Lungeninfektion 11 Jahre (3705 Tage)
PLAYBOY 28.04.1981 Etwa 6 Jahre 29.03.2000 Virale Leberentzündung Fast 19 Jahre (6911 Tage)
LUCY 08.01.1982 Etwa 8 Jahre 21.10.1992 Gebärmutterentzündung 10 Jahre (3939 Tage)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 4 von 4 Tieren, die in den 1980er Jahren importiert wurden, aufgrund einer Infektion unterschiedlichen Ursprungs verstarben. Jedes dieser Tiere lebte zum Zeitpunkt des Ablebens länger als 10 Jahre im Zoo, nämlich 11 Jahre, 11½ Jahre, 13½ Jahre und fast 19 Jahre.

Delfinimporte

in den 1990er Jahren

In den 1990er Jahren kamen nur noch drei Große Tümmler aus anderen Delfinarien nach Duisburg.
Dies waren in 1994 das Weibchen PEPINA, die aus dem Hansapark Sierksdorf kam und ursprünglich aus Kuba stammte, sowie das Männchen IVO und seine Mutter IRIS, die 1999 aus dem Zoo Antwerpen in Belgien nach Duisburg kamen und viele Jahre zuvor in Mexiko gefangen wurden. Sowohl Sierksdorf als auch Antwerpen gaben beide ihre Delfinhaltung aus finanziellen Gründen auf und fanden in Duisburg eine neue Unterbringung für ihre Tiere. PEPINA und IVO leben auch heute noch in Duisburg und sind beide bereits über 30 Jahre alt. IRIS war bereits 30 Jahre alt als sie nach Duisburg kam. Sie erkrankte an Leukämie und verstarb 4 Jahre nach ihrer Ankunft.

Zusammenfassung der 1990er Jahre

Name Ankunft Alter bei Ankunft Tod Todesursache Jahre in Duisburg  
PEPINA 24.11.1994 Etwa 13 Jahre - - 29 Jahre  
IRIS 31.03.1999 Etwa 30 Jahr 27.03.2003 Leukämie 4 Jahre (1458 Tage)  
IVO 31.03.1999 Etwa 20 Jahre - - 24 Jahre 

Zusammenfassend heißt das für die 1990er Jahre, dass 3 Tiere aus anderen Delfinarien nach Duisburg kamen, von denen eines aufgrund einer Krebserkrankung in fortgeschrittenem Alter verstarb. Die anderen beiden Delfine erfreuen sich noch heute bester Gesundheit.
Im Jahr 1999 kam somit das letzte Tier aus einem anderen Delfinarium nach Duisburg. Der letzte für den Zoo Duisburg der Natur entnommene Große Tümmler kam im Jahr 1982 an den Zoo am Kaiserberg.
Insgesamt kamen und verblieben 19 Große Tümmler nach Duisburg. Zusätzlich wurden zwei weitere Delfine importiert, die jedoch wieder abgegeben wurden (MIA I nach 3 Jahren und MIA II nach 6½ Monaten). Zudem diente das damalige Duisburger Delfinum anfänglich als Zwischenstation für drei weitere Delfine, die nach wenigen Wochen der Eingewöhnung an andere Delfinarien weitergegeben wurden.
Von den 19 Großen Tümmlern, die in 49 Jahren der Duisburger Delfinhaltung nach Duisburg gekommen sind, sind 12 Tiere mehr als 15 Jahre alt geworden, 7 von diesen 12 Delfinen sogar älter als 20 Jahre. Dem gegenüber steht die durchschnittliche Lebenserwartung im Freiland, die etwa 18 Jahre beträgt.
Insgesamt 7 der 19 Delfine überlebten das erste halbe Jahr in Menschenhand nicht. Jedoch waren dieses allesamt Tiere, die zu den Anfängen der Delfinhaltung in Europa zwischen 1965 und 1971 in den Zoo kamen. Zu dieser Zeit war die Haltung von Großen Tümmlern noch absolutes Neuland. Man wusste damals nur sehr wenig über Delfine und konnte beim Fang nur unzureichend das Alter und den Gesundheitsstatus der Tiere bestimmen. Nicht selten wurden ältere und schwächelnde Tiere importiert, die zudem häufig Erkrankungen und Parasiten mit sich führten, zu deren Behandlung seinerzeit kein tiermedizinischer Erfahrungsschatz zur Verfügung stand, weshalb diese Tiere zumeist früh verstarben.